Kölner Stadt Anzeiger, 7. Mai 1997

Dominik Böhringer im Lutherturm

Laut tönen die Kirchenglocken des Lutherturms in die Südstadt hinein. Wenn sie wieder verklungen sind, wird für einen Augenblick Stille hörbar. Diese Stille ist auch in der Kunst von Dominik Böhringer, ausgestellt ebendort: leicht gewölbte Rundformen, Kreise oder Erdscheiben, Masken oder Schilder, aus vielen dünnen Papierhäuten geschichtet und gepresst, von sanfter, erdiger Farbigkeit. Stille- hörbar und sichtbar zugleich.
Rostspuren prägen die papiernen Bildobjekte – als satte Kruste oder als vergänglicher Hauch. Wie Gleichnisse von der Schönheit der Erde sind die runden Scheiben, gezeichnet von der Struktur spannungsreicher Landschaften und Materialprozesse und unter dem Zeichen fortwährender Verwandlungen. Farbliche Nuancen machen die Zerbrechlichkeit aller Oberflächen sichtbar. Und Risse deuten unbekannte Tiefen an.
Das Geheimnis des Lebens ruht in aller Stille, und die größte Faszination besteht darin, dass trotz vieler Brüche und Zerreißproben die Kreise in der Form bleiben, in einem Gleichgewicht – wie die Erde und wie der Lauf der Zeiten. Der Blick läuft gleichsam rund. Das Runde gilt dabei als die natürlichste Form: Symbol der Ganzheit, Zeichen der Zeitlosigkeit ohne Anfang und Ende, Sinnbild für das in sich geschlossene. In seiner Gestalt erscheinen Dynamik, endlose Bewegung und Ruhe als ein und dasselbe. (JK)