Rheinische Post Dienstag, 14. November 1995
Dominik Böhringer auf Gut Nothenhof: Antworten ohne Worte
Alle Fachwerkbauten um den Innenhof von Gut Nothenhof (Bergische Landstraße 509) passend zu wahrhaft einer Ausstellung, deren Spuren sich in die Erinnerung eindrücken. Erstmals in seiner Heimatstadt stellt dort Dominik Böhringer (geboren 1957 in Düsseldorf) seine frei in den Räumen aufgehängten Objekte vor, »Kreise« nennt er sie alle. Es sind mehr oder weniger gewölbte Kreisscheiben, deren materielle Substanz von ungewöhnlicher Herkunft scheint.
Keine Frage, es sind Werke, die aus der Stille kommen, die Stille und Gelassenheit sozusagen ein- und auszuatmen scheinen. Wie Fragen hängen sie im Raum, aber auch wie Antworten ohne Worte. »Das Modellieren ist für mich Meditation«, sagt der junge Künstler. Das war es schon, als er nach dem Studium an der Scuola Teatro Dimitri in der Schweiz, in Amsterdam, von 1981 bis 1987 in Zusammenarbeit mit verschiedenen internationalen Tanz- und Theatergruppen Masken schuf, die sich verselbständigten und in Ausstellungen gezeigt wurden. Seit 1987 hat er ein Atelier in Köln.
Aus der Maske also haben sich Böhringers schwebende »Kreis«-Objekte entwickelt. Doch sie erschien ihm bald zu konkret. Er wollte diese Maske immer mehr reduzieren. Auch die Farben, mit denen ihre Oberfläche bemalt oder mit Papierschnitzeln beklebt wurden, ließ er nun weg. »Um die Haut zu zeigen, die die Spuren des Lebens trägt. Der Farbauftrag der Maske erschien mir wie ein Make-up, das sie verdeckte sagt er. Seine »Kreis«-Objekte bestehen aus Papiermaché: Schichten von ineinandergeklebten Papieren unterschiedlicher Struktur. Er arbeitet spiegelverkehrt. Zuerst wild ein Gipsmodell gemacht. So wächst aus mit Leinen getränktem Papier gleichsam von innen nach außen, Schicht um Schicht. Der Trocknungsprozeß dauert drei bis vier Monate. In dieser Zeit arbeitet das Material selber. Es verfärbt sich in tonigen Flecken, blättert ab, bekommt Löcher; es entstehen graue und helle Partien, Geäderts, Prickelndes, eben jene »Lebensstrukturen«, die das Material hervorbringt.
In das Papier angearbeiteter Eisenstaub oder Stahlwolle erzeugen Rostflecken und -strukturen, die durch die Papierschichten durchwachsen. Je länger der Prozeß in dem der Feuchtigkeit ausgesetzten Papier dauert, desto mehr verändert sich dieses. In einigen Arbeiten hat der Künstler als einzige Farbe Ultramarinblau-Pigmente verwandt, weil sie Raum und Tiefe suggerieren.
Die sehr malerisch wirkenden »Lebensspuren« in den teils kleinen bis sehr großen gewölbten Kreisscheiben lassen Ahnungen von unendlichem Wachstum aufkommen. Sie tippen an, was in ihren »Vorgängern«, den Masken, beschworen wird: das eigentlich Ungreifbare. (Die Ausstellung ist bis zum 18. November, Dienstag bis Freitag 11-18 Uhr, Samstag von 10 bis 14 Uhr geöffnet.
YVONNE FRIEDRICHS